2022 fiel Putins Welt wie ein Kartenhaus in sich zusammen
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#putin #russland
Eine Analyse von Thomas Jäger.
Putin hat einen blutigen Krieg entfacht und sein Russland international weitestgehend isoliert. Doch war 2022 für den Kreml-Chef durch und durch ein Annus horribilis – oder kann er bei genauerem Hinsehen doch Erfolge verbuchen? Eine Jahresbilanz für Wladimir Putin.
Im Rückblick wird das Jahr 2022 als der Wendepunkt in der Regierungszeit Wladimir Putins gelten, als der Moment, in dem er alles riskierte und vieles verlor. In den über zwanzig Jahren seiner Herrschaft zuvor baute er die operative Stellung Russlands in den internationalen Beziehungen kontinuierlich aus. Dabei half ihm, dass er taktisch geschickt vorging, seine Gegner ausreichend zutraulich und handlungsavers waren und Russland auf diese Weise mit den wenigen Mitteln, die dem Land zur Verfügung standen, große politische und wirtschaftliche Effekte erzielte.
In mehreren Kriegen festigte er seine Herrschaft und gestaltete das Militär nicht nur zu einer Kraft, die im Innern für Ordnung sorgen, sondern die auch als außenpolitisches Mittel eingesetzt werden kann. Gleichzeitig förderte er die Energiebeziehungen zu anderen Staaten, insbesondere im Westen Europas, die er als begehrte Adressaten ansah, und gestaltete so Beziehungen der einseitigen Abhängigkeit.
Parallel schuf er eine internationale Kraft der Desinformation, die auf Wahlen in demokratischen Staaten, aber auch ganz generell auf die Ausrichtung der öffentlichen Meinung Einfluss nehmen sollte – und nahm. Militär, Energie und Desinformation waren die zentralen Fähigkeiten Russlands, das ansonsten weder demographisch noch ökonomisch mit den Weltmächten USA und China mithalten konnte. Aber genau das war Putins Ideologie, Russland als eine besondere Zivilisation, zur Weltmacht berufen, der Kern dessen, was er wohl gerne als Putinismus lesen würde, was aber allerorten als neoimperialistischer Ausgriff charakterisiert wurde.
Denn in Putins Welt gibt es die Russische Welt, die geographisch über Russland hinausreicht. Schon früh hat er eine völkische Ideologie vertreten, die ihn zum Schutzherrn der Russen in allen Ländern dieser Welt erhob. Das galt ganz besonders im nahen geographischen Umfeld – dem nahen Ausland –, da dort nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Russen, genauer gesagt: Menschen, die Putin als Russen definierte, in großer Zahl lebten.
Dass diese sich inzwischen stärker mit den Staaten, in denen sie lebten, identifizierten und 2022 keine Anstalten unternahmen, Russland mit dem eigenen Leben beizustehen, hätte Putin wissen können, denn dieser Befund wurde mehrfach erhoben. Doch Tatsachen, die sein geschichtspolitisches Narrativ störten, nahm er nicht wahr. Deshalb konnte er sich vor dem 24. Februar 2022 eben vormachen, dass die Ukraine fallen, die Menschen ihm zujubeln und der Krieg in Frist weniger Tage vorbei sein werde.
Doch wollte er das Risiko des Kriegs nicht eingehen, falls es gelingen würde, seine Ziele zu erreichen, weil sich die europäischen Staaten angesichts der Kriegsgefahr freiwillig in ihr Schicksal ergeben. Deshalb legte die russische Diplomatie drei Forderungen auf den Tisch:
Erstens solle die Ukraine Russland überlassen werden, wie es mit den Forderungen nach Denazifizierung und Demilitarisierung geframt wurde.
Zweitens sollten alle ausländischen Truppen aus den ehemaligen Mitgliedsstaaten des Warschauer Pakts, also von Polen bis Rumänien, abziehen. Entlang der russischen, belarussischen und ukrainischen Grenze sollten sich die Staaten nur auf ihr eigenes Militär verlassen – und damit dem militärischen Druck Moskaus ausgesetzt sein.
Drittens sollten die amerikanischen Nuklearwaffen aus Europa abgezogen werden, wodurch die nukleare Abschreckung zwischen den USA und den europäischen Nato-Staaten entkoppelt worden wäre. Über kurz oder lang wären die amerikanischen Soldaten dann ganz abgezogen. Russland hätte seine drei zentralen Fähigkeiten – militärischer Druck, Energieabhängigkeit und Desinformation – genutzt, um Europa politisch zu dominieren. Dann erst verfügte es über ausreichend Bevölkerung und Wirtschaftskraft, um diese als bestimmende Weltmacht in die Waagschale internationaler Auseinandersetzungen werfen zu können.